Projektzeitraum |
01.09.2023 – 31.08.2027
Projektmitarbeitende |
Projektleitung: Dr. Laura Klebe und Prof. Dr. Tillmann Bartsch
Finanzierung |
Fritz Thyssen Stiftung für Wissenschaftsförderung
Gustav-Radbruch-Stiftung
Projektbeschreibung |
Nachdem diverse Vorschläge zur Reformierung der Ersatzfreiheitsstrafe aufgrund fehlender parlamentarischer Mehrheiten in der Vergangenheit scheiterten, ist es im letzten Jahr gelungen, einen Konsens für ein Reformvorhaben der viel kritisierten Sanktion zu erzielen.
Eine zentrale Änderung bildet die Halbierung des Schlüssels zur Umrechnung der Geldstrafe in die Ersatzfreiheitsstrafe (§ 43 S. 2 StGB). Seit Einführung des Tagessatz-Systems zur Berechnung der Geldstrafe in Deutschland galt der Maßstab „1:1“. Bislang war also ein Tagessatz der Geldstrafe mit einem Tag Freiheitsentzug in der Ersatzfreiheitsstrafe zu verbüßen. Infolge der für dieses Projekt ausschlaggebenden Gesetzesänderung gilt nunmehr der Umrechnungsmaßstab „2:1“. Fortan sind somit zwei Tagessätze der Geldstrafe mit einem Tag Ersatzfreiheitsstrafe abgegolten. Der neue Umrechnungsmaßstab gilt für Ersatzfreiheitsstrafen, welche wegen uneinbringlicher Geldstrafen aufgrund von Verurteilungen ab dem 01.02.2024 vollstreckt werden.
Darüber hinaus sind von der Gesetzesreform Änderungen im Vollstreckungsrecht umfasst. So soll beispielsweise die Gerichtshilfe in Verfahren, in welchen eine Ersatzfreiheitsstrafe droht, stärker eingebunden werden, um die Verurteilten bei der Abwendung der Sanktion (etwa durch Ratenzahlungsvereinbarungen oder Ableistung von freier Arbeit) zu unterstützen (§ 463d Abs. 2 S. 2 StPO).
Ferner wurde durch eine Ergänzung in § 40 StGB klargestellt, dass die Gerichte bei der Bestimmung der Tagessatzhöhe zur Vermeidung einer finanziellen Überforderung darauf achten müssen, dass den Verurteilten das zum Leben notwendige Existenzminimum verbleibt.
Zwar haben sich in den vergangenen Jahren einige Forschungsvorhaben mit unterschiedlichen Fragen aus dem Bereich der Ersatzfreiheitsstrafe beschäftigt, kaum erforscht ist die Sanktion jedoch im Hinblick auf deren spezialpräventive Wirkung. Hier setzt das vorliegende Projekt an. Ziel des Forschungsvorhabens ist es, Erkenntnisse darüber zu gewinnen, ob bzw. wie sich eine Verkürzung der Haftdauer auf die Legalbewährung von Verbüßenden der Ersatzfreiheitsstrafe auswirkt. Zu diesem Zweck werden Strafvollzugsakten von 2100 Personen, welche Ersatzfreiheitsstrafen nach dem neuen Umrechnungsschlüssel verbüßt haben, aus mindestens vier unterschiedlichen Bundesländern ausgewertet. Darüber hinaus werden ebenfalls 2100 Strafvollzugsakten aus den gewählten Bundesländern zu Verurteilten analysiert, welche Ersatzfreiheitsstrafen in einem bestimmten Zeitraum nach altem Umrechnungsmaßstab verbüßt haben. Bei beiden Gruppen wird die Rückfälligkeit nach einem Kontrollzeitraum von 1,5 Jahren ab Entlassung aus dem Vollzug anhand von BZR-Auszügen untersucht. Durch den Vergleich beider Gruppen können Rückschlüsse dahingehend gezogen werden, ob/ bzw. inwieweit sich die Dauer der (Ersatz-) Freiheitsstrafe auf die Rückfälligkeit auswirkt.
Darüber hinaus sollen die Aktenauswertung und mehrere qualitative Interviews mit Personen, die mit der Ersatzfreiheitsstrafe befasst oder von ihr betroffen sind, Erkenntnisse zur Umsetzung sowie zu den Auswirkungen der Gesetzesänderungen in der Praxis liefern. Gleichzeitig soll erforscht werden, ob und inwieweit weiterer Reformbedarf im Hinblick auf die Reglungen zur Ersatzfreiheitsstrafe besteht.
Nach der langen Auseinandersetzung über die Ersatzfreiheitsstrafe in Politik und Wissenschaft ist von großem Interesse, ob und inwieweit die Ziele des Gesetzgebers mit der Reform tatsächlich erreicht werden und – aus pönologischer Sicht grundlegend – ob eine Halbierung von Strafen ohne Wirkungsverlust im Bereich der Spezialprävention möglich ist.