Forschungseinheit II – Viktimologie

Leiterinnen der Forschungseinheit (gleichberechtigte Co-Leitung):
Dr. Anne-Kathrin Kreft und Dr. Farina Rühs

 

Die interdisziplinär ausgerichtete Forschungseinheit Viktimologie erforscht Kriminalität und deviantes Verhaltens mit besonderer Berücksichtigung der Perspektive individueller Betroffener und ihrer Angehöriger, wobei auch gesellschaftlich-systemische Auswirkungen kriminellen und devianten Verhaltens mit bedacht werden. Die Forschungseinheit führt damit eine Jahrzehnte währende viktimologische Forschungstradition des KFN fort, die von groß angelegten Dunkelfeldstudien sowie umfänglichen Viktimisierungsstudien zu diversen spezifischen Themen (z. B. Wohnungseinbruch oder Cybercrime) geprägt war.

 

 

Forschungsschwerpunkte

Besondere Schwerpunkte der Forschungseinheit liegen auf einer prozessualen Perspektive auf Viktimisierungserfahrungen und den damit verbundenen Bewältigungsprozessen (Forschungsschwerpunkt 1: Opfererfahrungen als (Entwicklungs-)Prozess) sowie den wechselseitigen Beziehungen zwischen individuellen Opfererfahrungen und gesellschaftlichen Reaktionen (Forschungsschwerpunkt 2: Opfererfahrungen im gesellschaftlichen Kontext). Neben diesen zwei Forschungsschwerpunkten bemüht sich die Forschungseinheit regelmäßig, spezifische viktimologische Phänomene gezielter zu untersuchen, die im gesellschaftlichen Diskurs aktuell eine besondere Rolle spielen oder in der bisherigen Opferforschung wenig Beachtung fanden (Forschungsschwerpunkt 3: Besonderheiten spezifischer Opfererfahrungen).

Zur Adressierung dieser Forschungsthemen setzen wir einen Mix aus quantitativen und qualitativen Methoden ein, wobei die Integration längsschnittlicher Untersuchungen und auch die Anwendung experimenteller Paradigmen stärker fokussiert werden sollen.

 

Opfererfahrungen als (Entwicklungs-)Prozess

Der erste Forschungsschwerpunkt fokussiert die Prozesse der Opferwerdung und der Bewältigung dieser Erfahrung aus Perspektive der Betroffenen. Auch vor dem Hintergrund der  Diskussion um einen besseren Opferschutz beschäftigen wir uns beispielsweise mit den individuellen Folgen von Viktimisierungserfahrungen (bspw. Kriminalitätsfurcht, psychische Belastungen) und den Faktoren, die beeinflussen, welchen (Entwicklungs-)verlauf das Erleben und Verhalten der Betroffenen nach einer Opfererfahrung nimmt (bspw. individuelle Bewältigungsprozesse, Merkmale von Strafverfahren). Dabei kommt unter anderem den Bedürfnissen von Opfern im Verlauf eines (Straf-)Prozesses und die Abbildung und Adressierung dieser Bedürfnisse in den staatlichen (insbesondere strafverfolgenden) Institutionen in der geplanten Forschung eine bedeutsame Rolle zu.

Opfererfahrungen im gesellschaftlichen Kontext

Der zweite Forschungsschwerpunkt umfasst Opfererfahrungen im gesellschaftlichen Kontext. Hier angesiedelte und geplante Forschungsprojekte bearbeiten Themen wie die gesellschaftliche Billigung oder Ablehnung bestimmter Formen und Ausprägungen von Gewalt und die Auswirkungen solcher gesellschaftlichen Haltungen auf die Opfer. Von besonderem Interesse sind auch die Wechselwirkungen zwischen Opfererfahrungen und sozio-politischem Handeln (bspw. zivilgesellschaftliches Engagement oder politische Aktivität) und Empfinden (bspw. Vertrauen in Demokratie, Staat und seine Institutionen). Auch sekundäre Viktimisierungsprozesse in Strafverfolgungsprozessen sollen berücksichtigt werden.

Besonderheiten spezifischer Opfererfahrungen

Im dritten Forschungsschwerpunkt stehen die Opfererfahrungen bestimmter Gruppen, das Opferwerden in bestimmten Verbrechensformen sowie in spezifischen Kontexten gemachte Viktimisierungserfahrungen im Mittelpunkt. Hierzu zählen bspw. Gewalt gegen Männer in Partnerschaften, Gewalt gegen Politiker*innen oder Opfererfahrungen im Bereich der Cyberkriminalität.

 

Aktuell laufende Forschungsprojekte

Die drei Forschungsschwerpunkte sind als sich ergänzende und teils überlappende Kategorien zu verstehen, die einen gemeinsamen Rahmen für die interdisziplinäre Forschungseinheit bilden. Projekte können innerhalb eines Schwerpunks oder an den Schnittstellen verschiedener Schwerpunkte angesiedelt sein. In einem aktuellen Projekt zu Gewalt gegen Politiker*innen erforschen wir bspw. individuelle Bewältigungsprozesse und unternehmen zugleich Anstrengungen, Opfererfahrungen im gesamtgesellschaftlichen Kontext zu verorten.